Seit Jahren schon gewohnter Abschluss im Dezember: ein Blick zurück im wilden Mix aus Weltbewegendem, Kuriositäten und dem kleinen Pfeffer-Kosmos.
Jahresrückblick 2020
Wie jedes Mal zum Beginn einer Rückschau, gucke ich erst einmal auf meine abschließenden Worte vom Jahr davor. Ich äußerte seinerzeit eine gewisse Spannung, was die Zwanziger bringen werden. Und verstieg mich zu der Aussage, dass dieser Begriff sich so wohltuend jugendlich anhöre. Heute bin ich froh, vergleichsweise neutral in diesen Abschlussworten geblieben zu sein. Denn als Orakel wäre ich eine Fehlbesetzung gewesen. Was mich allerdings mit Milliarden anderen geeint hätte, außer vielleicht einigen chinesischen Wissenschaftlern, die unter der Knute von Parteikadern und Geheimpolizei vermutlich zum Stillschweigen verdonnert wurden. Oder ein paar Marktbeschickern in Wuhan. Aber selbst die dürften kaum geahnt haben, was dann kam.
Mein Jahresrückblick wäre auch in drei kurzen Gleichungen möglich: Januar = noch kein Corona, Februar = hab schon mal von Corona gehört, März bis Dezember = nix außer Corona. Aber ... so darf es nicht sein. Auch wenn 2020 ein Jahr ist, das wie wohl kaum eines zuvor in der weltweiten Nachkriegsgeschichte von einem einzigen Wort dominiert wurde, hatte es durchaus noch mehr zu bieten. Ich möchte versuchen, den Blick auf diese anderen Dinge zu lenken, wenigstens immer wieder mal. Weil es auch Positives braucht, um sich von diesem Jahr 2020 zu verabschieden, bei dessen Abgang an Silvester mehr Sagrotan-Duft in der Luft liegt als Böllerrauch.
Mit diesem Gedanken verknüpft ist auch mein persönliches Bild des Jahres. Es entstand am 31. Juli 2020 auf der Bahn 14 des Golfplatzes Sagmühle. Und ganz davon abgesehen, dass es zeigt, wie wunderschön so eine Anlage sein kann, so erinnert es mich doch immer wieder daran, dass ich nicht vergessen darf, wie bunt die Welt ist.
Ach ja, die Spannung ist übrigens geblieben, was die Zwanziger des 21. Jahrhunderts so bringen werden. Ich glaube bloß, dass wir zumindest teilweise so etwas wie einen Knopf drücken müssen, auf dem Neustart steht. Der Zeitpunkt dafür dürfte allerdings noch in der Zukunft liegen.
Januar
Jetzt nehme ich mal nur die ersten drei News des Jahres, die mir begegneten: Der irre Nordkoreaner frohlockt über eine neue Superwaffe, der irre Oberamerikaner lässt den höchsten iranischen General umbringen und in Australien wüten apokalyptische Brände. In der Rückschau hätte man an der Stelle auch bereits eine Ahnung haben können, was das für ein Jahr wird, oder? „Frohes Neues“ kam einem jedenfalls schon schwerer über die Lippen.
Die Pfeffers haben dennoch ihre Reise gemacht. Nach Wolkenstein in Südtirol, wie eigentlich immer, außer sie erfüllen sich einen Neuseeland-Traum wie im Vorjahr. Die Zeit in den Bergen verläuft schönwettrig und unbeschwert, obwohl es bereits die ersten zaghaften Meldungen aus einer mir bis dahin komplett unbekannten Millionenstadt in China gibt. All das ist noch sehr weit weg und so bleibt der Erholungswert hoch. Für mich ein unglaublicher Genuss: gute zwei Stunden auf der Bergstation am Grödnerjoch. Einfach mal so über den Dingen sein. Das ist fast wie Fliegen.
Als wir wieder daheim sind, gibt es einen Großeinsatz der Kölner Feuerwehr am Dom. Schockschwerenot ... doch schon bald folgt Entwarnung. Die wiederum klingt so witzig wie unglaubwürdig: Eine Wolke hatte sich im Nordturm verheddert. Ok, das kann ja malvorkommen. Ich bleib ja auch ständig irgendwo hängen. Aber wohin schickt man in solchen Fällen die Rechnung für den Einsatz? An den Deutschen Wetterdienst?
„Kanzler, du kannst hier als Kellner anfangen!“ Diesen Satz blendete das österreichische Fernsehen bei der Vereidigung von Sebastian Kurz als Bundeskanzler im Untertitel ein. Es ist der Text einer Soap. Seifiger Start also für den Ö-Kanzler. Derweil beginnt im US-Senat das Impeachment-Verfahren gegen die Obertrompete. Der Begriff dürfte vom Aussortieren fauler Pfirsiche herrühren. Passt ja. Den dümmsten Satz des Jahres liefert in dem Zusammenhang schon im Januar der emeritierte Harvard-Professor Alan Dershowitz, der dem Trump-Verteidiger-Team im Senat angehört: „Wenn ein Politiker der Ansicht ist, dass seine Wiederwahl im nationalen Interesse sei, dann dürfen Maßnahmen, die er dafür ergreift, nicht zu einem Amtsenthebungsverfahren führen.“ Zurecht kommentiert das der Verhandlungsführer der Demokraten, Adam Schiff, dies als „Normalisierung der Gesetzlosigkeit“. Nach dem Dershowitz-Satz funktionieren Diktaturen. Bitte merken Sie sich an dieser Stelle „Patsch!“ Als Platzhalter für ein heftiges Klatschen auf die eigene Stirn. Es übermannt mich stets, wenn Schwachsinn unkontrollierte Bewegungen auslöst.
Aus Versehen schießt der Iran ein ukrainisches Verkehrsflugzeug ab. Aus Versehen sterben also einfach mal so 176 Menschen. Die Regierung Irans braucht ewig, bis sie sich zum Eingeständnis durchringen kann. Doch es erschüttert mich noch heute.
Die internationale Automobilausstellung wendet sich von Frankfurt ab. In dem Zusammenhang taucht der Begriff „Aftermarket“ auf. Gemeint sind Märkte im Nachgang eines Autokaufs, wie Ersatzteile, Reparaturen und so was. Aber das Wort klingt schon irgendwie seltsam, oder? Apropos „Aftermarket“ ... die Briten sind echt raus. Der Brexit ist Fakt geworden.
Februar
Das Land wird auf links gedreht. Meteorologisch. Von Sabine, die über es im Eiltempo hinweg zieht und ordentlich Schäden verursacht. Aber auch politisch irgendwie. Und da von rechts. Der Hotspot dafür ist der Thüringer Landtag. Ein an sich unbedeutender Mehrheitsbeschaffer aus dem Hause FDP hat sich spontan überlegt, dass eine Karriere als Ministerpräsident schon eine klasse Sache sein müsste. Vielleicht hat er an Pensionsansprüche gedacht und daran, dass man ja nie weiß, was noch so kommt. Gekommen sein dürfte es bei der Nummer auch den Deutschalternativen, mit deren Stimmen und einem Trick der Hinterbänkler überhaupt erst ins Amt flutschen konnte. Die Erfurter Posse hat sie jedenfalls reichlich beflügelt. Aber am Ende ist der zweite FDP-Regierungschef eines deutschen Bundeslandes dann doch rasch wieder zurückgetreten. Nach 27 Tagen, um präzise zu sein. Und ohne einen einzigen Minister ernannt zu haben. Etwas länger im Amt war Jürgen Klinsmann bei Hertha BSC. Wobei ich nicht so recht weiß, ob seine Demission eine Kündigung oder ein Rücktritt war. Vielleicht wusste er das auch nicht und hat deshalb sicherheitshalber mit niemandem darüber geredet. Nur mit Facebook. Da hat er es reingestellt. „Patsch!“
Und, hey ... im Februar haben wir echt noch geglaubt, dass im April eine neue Spitze für die CDU gewählt wird. Schon lustig, oder? Derweil machen sich mein Papa und seine Gattin aus dem deutschen Staube und schlurfen ihre Füße durch mittelamerikanischen. Wie stets unternehmen sie eine große Reise, wenn genullt wird, denn zum 80. Geburtstag mag er nicht zuhause sein, der Vater. Aber, lieber Papa, nun hast Du es hiermit mal in meinen Jahresrückblick geschafft. Musste sein nach so langer Zeit. Haarscharf an die deutsche Landesschließung seid ihr aus Costa Rica, Panama und Honduras zurückgekehrt. Und habt vorher am Ufer des Panamakanals die kleinen Loks bewundert, die dort die Riesenpötte aus der Karibik in den Pazifik (oder umgekehrt) ziehen. Wusste ich auch nicht, dass da die Lotsen quasi Bahn fahren.
Dass es einen 29. Februar gibt, das allein ist ja schon eine Erwähnung wert. Aber der Tag geht wohl auch in die Bundesliga-Historie ein, weil in Sinsheim die dort spielenden Hoffenheimer und die Bayern eine Viertelstunde lang beschließen, im Mittelkreis während einer offiziellen Partie gemeinsam quasi nichts zu tun. Der heimische Mäzen, Dietmar Hopp, wird von etlichen Fans anderer Vereine nicht gemocht, aber die Beleidigungen und Plakate, die ihn in einem Fadenkreuz zeigen, nehmen weiter zu. So wird er auch bei dieser Partie quasi ins Visier genommen. Übrigens: Das Transparent hängt im Bayern-Block und das beim Stand von 6:0 für München. Der Hohlköpfe-Nobelpreis an Personengruppen wäre dieses Jahr dann schon nach Bavaria vergeben. (Nur zur Unterscheidung vom Dershowitz-Zitat aus dem Januar!)
Ein besonderes Pech haben die Jecken in Bergisch Gladbach, weil ihr „Zoch“ dem Sturm zum Opfer fiel. Wobei Ansteckungsgefahr ebenso ein Thema hätte sein müssen. Tags drauf gab es am Rosenmontag aber bei weniger Wind noch ein unbeschwertes millionenfaches „Alaaf“ rund um die Kölner Domtürme. Und doch auch bereits irgendwie ein seltsames Gefühl, ob das so richtig sinnvoll ist.
März
Wohl einer der krassesten Monate, seit ich mit der Jahresrückblickstradition begonnen habe. Gleich zu Beginn plant der bekloppte Sultan, an der türkisch-griechischen Grenze die Türen öffnen und Millionen Menschen in die EU strömen zu lassen. Letztere fährt entsprechend Grenzschutz auf und der schießt mit Tränengas auf Kinder. Wenn es das braucht, um Europa zu verteidigen, was ist dieses Europa dann eigentlich noch wert?
Kurz bevor das öffentliche Leben dicht gemacht wird, genießen Leslie und ich als Duo Partnerlausch im Bürgerhaus Stollwerck in Köln einen unserer schönsten Auftritte. Und die Zuschauer wohl auch, denn wir bilden eine wunderbare Einheit miteinander und surfen gemeinsam durch die Geschichten des Programms. Am Tag drauf findet das erste Geisterspiel der Bundesliga-Historie statt. Der FC musste zum Derby nach Mönchengladbach und verlor selbstverständlich mit 1:2. Fünf Tage später schloss dann alles. Schulen, Kitas, Kneipen, Restaurants, Vereine, Museen. Sogar die Grenzen.
In der Tagesschau bemüht man sich noch um das Kleinreden eines anderen „Problems“, indem man es nicht erwähnt. Es ist rund, hat in der Mitte eine Papprolle und besteht aus Zellstoff. Man muss vor Läden dafür anstehen, um es drinnen dann nicht zu bekommen. Ähnlich verhielt es sich mit Nudeln, Mehl und Hefe. Hätte man Wetten abgeschlossen, welches Produkt bei einer Pandemie als Erstes knapp wird, ... wer hätte da auf Klopapier getippt? Im Verlauf des Monats dringen Sorten davon in deutsche Supermärkte vor, die man bis dahin nur in Aserbaidschan kaufen konnte. Mein absoluter Glücksmoment war das Erstehen der ersten Packung seit Wochen in einem kleinen Laden in Köln-Deutz. Die Jagdtrophäe Lokuspapier trug den Namen „Happy End“. Kann sich kein amerikanischer Regisseur ausdenken ...
Der Einbruch an den Börsen ist beispiellos, der Eurovision-Song-Contest wird abgesagt, die Fußball-EM auf kommendes Jahr verschoben. Neben dem Euro ist eine neue Scheinwährung entstanden. Sie ist dreilagig. Die Nachfrage nach Toilettenpapier war im März 800 % mal höher als im Vormonat. Während anderswo Sorgen um die Lebensmittelvorräte entstehen, ängstigt die Deutschen offenbar der Verzicht auf eine weiche Versorgung der Rückseite. Das ist bis heute schwer zu verstehen. Doch es gibt noch viel Fragwürdigeres, denn es treten auch gewissenlose Geschäftemacher auf den Plan, die sich an echter Not bereichern wollen. Der Markt für Atemschutzmasken und Kittel ist zusammengebrochen, utopische Preissteigerungen sind die Regel. Eine FFP2-Maske bekam man Mitte Februar noch für 45 Cent, vier Wochen später kostet sie im Durchschnitt 13,50 Euro. Satte 3000 Prozent mehr.
Die absolut schwächste Figur im Umgang mit Corona macht für mich, immerhin begleitet von so geistigen Größen wie Trump und Bolsonaro, der IOC-Präsident Thomas Bach. Beim Herumeiern um die Verlegung der Olympischen Spiele zeigte sich allzu deutlich, dass er mehr eine Wirtschaftsmarionette ist, statt einer Sportbewegung vorzustehen. Interessant am Rande: Auch wenn Olympia 2021 stattfindet, wird es „Tokio 2020“ heißen.
Und dann noch was persönlich Historisches: Am 26. März hatte ich nach etwas mehr als 32,5 Jahren in städtischen Diensten meinen ersten Home-Office-Tag. Es brauchte eine Pandemie, um das zu ermöglichen.
April
Zugegeben, ich bekomme es ja nur indirekt mit, aber was Eltern über die durch den Lockdown entstehenden Probleme bei der Bildung und Beschäftigung ihrer Kinder erzählen, das wirft ein fragwürdiges Licht auf das deutsche Schulsystem. Da werden dann die Nerven auf allen Seiten schon mal zum Zerreißen gespannt. Den finalen Riss, vielleicht sogar im Trommelfell, besorgen im Zweifel die Hupkonzerte, die als Applaus-Ersatz bei Musikdarbietungen im Autokino nun erklingen. Während man in der Kulturszene immerhin teilweise den Kollaps durch Improvisation zu kompensieren versucht, stehen Eltern, Kinder und Lehrer im Kampf der föderalen Systeme als definitiv Zerriebene da. Und zwei Begriffe beginnen unabhängig davon die Runde zu machen: Risikogruppe und systemrelevant. Ich kann und konnte mich nie entscheiden, ob ich irgendwo dazugehören möchte.
Kein Aprilscherz, sondern ganz im Gegenteil: Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz tritt in Kraft! Es schreibt vor, dass die Meldefunktion für problematische Inhalte mühelos zu finden sein soll. Fast zeitgleich beginnt man in Amerika mit der Markierung kritischer Posts bei Twitter & Co. Ein Zufall? Apropos Amerika: Bernie Sanders steigt zum gefühlten 44. Mal aus einem Präsidentschaftsrennen aus und macht den Weg frei, diesmal für Joe Biden. Der aktuelle Amtsinhaber schwärmt derweil davon, man könne dem Virus auch mit der Einnahme von Reinigungsmitteln beikommen. Und hält man es für möglich? Eine Woche später stellen die Notrufzentralen des Landes einen signifikanten Anstieg an Vergiftungen mit Putzmitteln fest. Was für ein Licht wirft das eigentlich auf die Bildung einer Bevölkerung? Und ihres Anführers?
Ostern ist alles anders. Zwar tragen Hasen noch keine Masken, aber dafür sind weniger Menschen auf den Straßen unterwegs. An einem „normalen“ Gründonnerstag zählt der ADAC um die 3.400 Staus bundesweit. Man sollte in dem Zusammenhang nochmal über die Definition des Begriffs „normal“ nachdenken. Aber davon abgesehen erhalten die dieses Jahr gezählten 638 das Attribut „historisch niedrig“. Denen, die in einem gestanden haben, dürfte es kaum aufgefallen sein. Sie dachten vermutlich, alles sei ... genau normal. (Wäre an dieser Stelle ein „Patsch“ angebracht? Entscheiden Sie selbst.)
Wer hätte eigentlich vermutet, dass ein rheinland-pfälzisches Oberlandesgericht die judikative Speerspitze im Kampf gegen das syrische Assad-Regime ist? Ich auch nicht. Tatsächlich begann am 23. April das weltweit erste Strafverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Vielleicht ist Koblenz ja eine Außenstelle von Den Haag, wer weiß. Noch bemerkenswerter aber waren die hundert Rollator-Runden des Militärveteranen Tom Moore in seinem Hinterhof. Er sammelte damit Spenden für den britischen National Heath Service. Zusammen mit den Einnahmen aus seiner Song-Version von „You’ll never walk alone“ erlief der Senior rund 32 Millionen Euro. Klasse!
Der vierte Monat brachte rekordnahe 300 Sonnenstunden. Es gab also wettertechnisch überhaupt keinen Grund, den Menschen ein Mehr an Kleidung zu verordnen, doch es kam trotzdem so: Seit dem 27. April gilt bundesweit die Maskenpflicht in Geschäften sowie den öffentlichen Verkehrsmitteln. Spätestens seitdem muss jeder seinen Mundgeruch selbst aufschnüffeln. Ende offen. Der, wie ich finde, immer noch sympathischste Begriff für das neue Alltagsutensil kommt aus dem Norden Deutschlands: Snutenpulli.
Mai
Zu Billiarden fallen sie wieder, nachdem sie so lange dran bleiben mussten: die Haare. Friseure öffnen endlich nach den Zwangsschließungen. Ich hab es hingekriegt, dass bei einer der ersten Scherungen ein ganzer Schwung des Schnittmaterials hinter meine Maske fällt. Bringt einen sofort zum Schweigen!
Aber wir waren bei Lockerungen. Italiener dürfen nach schier ewiger Ausgangssperre wieder im Freien spazieren gehen. Und auch bei uns wird es freizügiger. Über die ganzen Monate ließen Pfeffers ihre Reservierung einer Ferienwohnung auf Pellworm einfach stehen und tatsächlich ... eine Woche vor Beginn unserer Buchung öffnet das Land Schleswig-Holstein die Nord- und Ostseeinseln wieder für Besucher. Meine beste Ehefrau von allen und ich können glatt in den Urlaub fahren und haben in der Fewo auch keine Probleme mit Corona. Es gibt erfreulich weniger Pollen auf so einer Insel, dafür aber viele Fahrräder und die sogar mit elektrischer Unterstützung im Falle von Gegenwind. Und es ist ruhig dort. Genau wie erhofft. Die ersten neun der 14 Tage fällt nicht mal ein Tropfen Regen!
Systematische Gewalt durch Polizisten in den USA ist schon länger ein Thema, aber der dramatisch unsinnige Tod von George Floyd in Minneapolis rückt es wieder in den Mittelpunkt. Vermengt mit den Auswirkungen von Corona und befeuert von einem pausenlos Zwietracht in sein Volk streuenden Präsidenten beginnt sich die Spaltung des Landes ihren Weg auf die Straßen zu bahnen. Everyones live matters, möchte man rufen. Dass die Blacks aber ihre lives mal nach vorne mattern, das ist nur zu verständlich. Bis heute muss man hoffen, dass Floyds Tod wenigstens den Wendepunkt bei der Chance auf einen wirklichen politischen Diskurs in Amerika bedeutet, der die Rechte eines jeden Menschen wieder in den Mittelpunkt des Handelns rückt.
Einen Knüller-Moment des Jahres stellt für mich Abend des 20. Mai dar, als ich in meinem elektronischen Postkästchen eine Zuschrift aus einem karibischen Eiland erhalte. Es schreibt mir Banu, die es mit Mann und Tochter dorthin verschlagen hat. Ich lernte sie vor ziemlich exakt dreißig Jahren am Strand eines winzigen Dorfes an der Küste der türkischen Ägäis kennen. Es gab nach jenem Urlaub noch ein wenig anschließenden Briefkontakt, ich schickte ihr ein paar Kassetten mit von mir damals favorisierter Musik und einen Reiseführer von Köln. Doch dann schlief die Korrespondenz langsam ein. Nun sprach sie im Frühjahr mit ihrem Mann über etwas, das mit Germany zu tun hatte, und sie erinnerte sich daran, dass sie dort jemanden kannte, wenn auch nur flüchtig. Sie begann nach mir zu suchen und fand mich schließlich auf der Seite der Ofenmacher, auf der ich als Schatzmeister in der Präsentation des Vorstandes zu sehen bin. Ein Moment wie ein Donnerhall, als ich ihre Post las. Seither schreiben wir gelegentlich und ich schüttele immer wieder lächelnd den Kopf über das Kontakt-Revival des Jahres schlechthin!
Juni
Es gibt tatsächlich auch Auswirkungen des Corona-Geschehens auf mein Einkaufsverhalten. Produkte aus Rheda-Wiedenbrück zum Beispiel, die stehen seit diesem Sommer auf der Shopping-Black-List. Und führen dazu, dass wir uns intensiver als bisher mit der Art und Weise auseinandersetzen, wie Fleischwaren entstehen. Die des Metzgers Tönnies und einiger anderer wollen wir fortan nicht mehr kaufen. Allein die Arbeitsbedingungen und Vertragsgestaltungen sind indiskutabel. Der Herr, der nur noch Sakko trägt und für gewöhnlich im Schalker Stadion sitzt, fällt jedenfalls unangenehm auf. Auch mir. Ach ja, Stichwort Stadion. Der FC Bayern ist zum achten Mal ... oh, Augenblick ... jetzt ist grad in China ein Sack Reis umgefallen, das ist dann doch wesentlich interessanter und spektakulärer.
Die Warn-App gegen die neue Weltseuche geht in Deutschland an den Start und wird vielmillionenmal heruntergeladen. Ich mach das auch, obwohl es mir an hundertprozentiger Überzeugung vom Nutzen noch fehlt. Es ist aber wie mit vielem, was helfen könnte. Warum nicht einfach versuchen? Mir ist da ein weiterer Vergleich aufgefallen. Im Libanon beispielsweise, da gingen im Juni jede Menge Menschen auf die Straße, um gegen die Finanzkrise zu demonstrieren und die Art, wie die Regierung ihr begegnet. Man muss dazu wissen: 40 Prozent aller Libanesen leben unterhalb der Armutsgrenze. In einem Land, in dem zusätzlich Millionen an Flüchtlingen auf wesentlich kleinerem Raum untergebracht sind, als in Deutschland. Nochmal: 40 Prozent unterhalb der Armutsgrenze!!! Derweil beginnen in bei uns Demonstrationen dagegen, in Geschäften oder Verkehrsmitteln eine Maske tragen zu müssen. Vergleichen wir im Geiste kurz die Relationen. Ich sage es ganz deutlich mit den Worten des Weisen Obelix: Die spinnen, die Deutschen! Oder auch: Patsch! Patsch! Patsch!
Barbara und ich haben derweil unsere Zeit auf Pellworm beendet und hängen noch ein paar Tage in einer ungewöhnlichen Ferienwohnung dran. Einer, die schwimmt. Im Eilbek-Kanal in Hamburg liegt die Peissnitz, ein Hausboot. Es ist eigentlich viel zu groß für uns, aber einfach mal schön, dort mitten in der Stadt eine Ausgangsbasis zu haben. An das leichte Schaukeln, wenn ein Bötchen vorüberfährt, gewöhnt man sich rasch. Das Schillern der Reflexionen an der Wohnzimmerdecke, während die Sonne draußen auf dem sanft gekräuselten Wasser tanzt, ist hingegen immer aufs Neue faszinierend.
Kurz vor dem Monatsende betrete ich dann das nächste neue Feld meines Lebens, das aus einer Mischung von Not und Improvisation erschlossen wird. Im Duo mit Leslie Sternenfeld als Partnerlausch ist seit März kein Auftritt mehr möglich und auch derzeit nicht in Sicht. Wir können und wollen aber den Draht zum Publikum nicht vollkommen verlieren. Also heben wir „Partnerlausch – Der Podcast“ aus der Taufe und am 26. Juni geht die Premiere hinaus in den Äther. Sämtliche gängigen Podcast-Portale und unsere Webseite sind die Quelle für die Sendungen, in denen wir das Schreiben thematisieren, das Erzählen, die Bühne und ... uns. Im Rhythmus von zwei Wochen bieten wir ein neues Thema und alle paar Folgen zur Abwechslung ein Interview-Special. Es macht total Spaß, auch wenn Leslie und ich „nur“ in einem virtuellen Studio zusammensitzen, um die Aufnahmen zu machen. Die Feedbacks, die uns erreichen, die zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Juli
Deutschland übernimmt für das zweite Halbjahr die Präsidentschaft im Rat der EU und für einen Monat auch im Sicherheitsrat der UN. So viel Anführerrolle. Wenn da mal kein Erwartungsdruck aufkommt. Den hab ich zum Glück abschalten können, als ich das erste Mal nach einem Dreivierteljahr wieder auf den Golfplatz gehe. Also, eigentlich fahre, denn trotz Höchstdosis meiner Muskelmedikamente kann ich einen Platz wie in Wachtberg bei Bonn nicht mehr laufen. Aber wenigstens draußen sein und spielen, das funktioniert. Es war die erste von acht Runden, die dieses Jahr drin gewesen sind und auch die erste von nur zweien, in denen ich in die Nähe des Handicaps gekommen bin, das auf meinem Ausweis steht. Aber insgesamt überhaupt so erstaunlich wie erfreulich, dass die Bälle noch einigermaßen annehmbar fliegen.
Die USA treten offiziell aus der Weltgesundheitsorganisation aus. Ich überlege angesichts der Putzmittel-Tipps noch, ob das für die Weltgesundheit nicht doch einen positiven Effekt bedeutet. Aber nein, ... die Wahrheit ist: Patsch!! Und einen Doppel-Patsch gibt es für die Nummer hier: Die Ober-Trompete posiert im Oval Office hinter einer Phalanx aus Konservenbüchsen der Firma Goya. In den Büchsen sind schwarze Bohnen. Hauptabnehmer sind Latinos in Amerika, um deren Stimmen ab sofort geworben wird. Ich habe versucht, mir für Deutschland vorzustellen, wie Frau Merkel im Kanzleramt einen Berg Unox-Ochsenschwanzsuppen aufbaut, weil sie um die Kreuzchen der Landwirte kämpft. Es ist mir nicht gelungen, das Bild länger vor dem geistigen Auge zu erhalten. Aber C/2020 F3 hab ich ja auch nicht gesehen. Kometen haben schon manchmal komische Namen, oder?
In Venedig wird „Mose“ getestet, ein Hochwasserschutz-System. Wieso heißt das eigentlich nicht „Noah“? Mir wird derweil eine Vertraute genommen, die auch was mit Wasser zu tun hat: das Spülmobil! All die Jahre, die ich nun schon in Weiterstadt bei der Ausrichtung des 5-Schläger-Turniers mithelfe, bin ich es gewohnt, zwischen dem kleinen Küchenraum der Sportgemeinde und einem unweit davon aufgestellten Wagen zu pendeln. In dem steht eben jene Industrie-Spülmaschine, mit der das ganze Porzellan und Besteck der Teilnehmer gesäubert wird. Und dieses Jahr? Alles verboten! Wir dürfen nichts spülen, sondern müssen auf Einweg-Geschirr umstellen, um der Corona-Gefahr zu begegnen. Das sorgt für neue Wege des Essens und der Kommunikation. Irgendwie ist da schon eine Vorfreude, wenn wir im nächsten Sommer zum Gewohnten zurückkehren können. Aber ... das gilt ja für viele Dinge.
Ein bisschen misstrauisch hat mich das Referendum in Russland gemacht, mit dem es Herrn Putin nun ermöglicht wird, noch mindestens 26 weitere Jahre zu regieren. Den darin getroffenen Regelungen stimmten nur 78 Prozent zu. So richtig normal sind eigentlich nur Zustimmungswerte oberhalb von 80 Prozent. Was hat denn da mit der gesteuerten Auszählung und der Stimmunterschlagung nicht funktioniert? Ich hoffe, da wird für die nächste Wahl nachgebessert!! In Berlin beschließen sie hingegen auf rechtmäßigem Wege das Gesetz zur elektronischen Patientenakte. In einer App steckt dann alles an Diagnosen, Medikamenten und Rezepten, was es zu sich selbst zu wissen gibt. Manchmal fühle ich mich an Orwell erinnert. Nutzt ein Aluhut eigentlich dagegen? Oh, stop, besser nicht, sonst kann am Ende auch ich nicht mehr klar (und geradeaus) denken ...
Doch das fällt Ende dieses Monats eh schwer. Mit 39,6 Grad wird der 31. Juli der wärmste Tag des Jahres in NRW.
August
Im vorhin schon mal angesprochenen Libanon verlieren auf einen Schlag 300.000 Menschen ihr Zuhause, als im Beiruter Hafen ein Lager mit Ammoniumnitrat hochgeht. Die Detonation war noch in Zypern zu hören und zu spüren, das mehr als 200 Kilometer entfernt liegt. Man fühlt sich an Kriegsbilder erinnert oder an die Aufnahmen beim Einsturz der WTC-Türme in New York. Mit nicht weniger mulmigem Gefühl betrachte ich die Bilder vom Sturm der rechten Anti-Corona-Demonstranten, die mit Reichsflaggen vor dem Reichstag auflaufen und nur knapp vorm Eindringen ins Gebäude gestoppt werden können. Ich erinnere nochmal an den Obelix-Ausspruch und füge ein dreifaches „Patsch!“ hinzu.
In Belarus gewinnt Amtsinhaber Lukaschenko mit 80,6 Prozent. Endlich wieder eine osteuropäische Wahl, der man vertrauen kann. Das findet auch Herr Putin, der den westlichen Nachbarn stützt und auf der Ostseite seines Reiches einem seiner Kritiker was in den Tee kippen lässt. Nowitschok heißt das Zeug und nur schnelle Hilfe sorgt dafür, dass Herr Nawalny überleben kann. Die Welt ist voller schlechter Dinge, wie man auch aus Spanien hört, wo der ehemalige König Juan Carlos wegen Verwicklungen in einen Finanzskandal mit unbekanntem Ziel ins Exil entschwindet. Vielleicht liegt es ja am Gold? Jener Währung, in die viele Anleger flüchten wollen. Eine Feinunze (= 31,1 Gramm) kostet mittlerweile fast 1.700 Euro! Da muss man schon zusehen, dass man seine Krönchen beisammenhält.
Endlich mal ein Zeichen der Verlässlichkeit sendet die SPD, die Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten erklärt. Bei der CDU wissen wir nämlich immer noch nicht, wer den Laden führen soll. Die Grünen lehnen sich derweil bequem zurück, sie können warten. Und Herr Lindner hüpft alle paar Tage wie Jack-in-the-Box aus der Kiste und krittelt an der Corona-Politik herum, bevor zum Glück wieder einer den Deckel über ihm verschließt. Das beruhigt. Vize-Kandidatin in Amerika wird übrigens Kamala Harris. Das kann man mit Recht historisch nennen.
Barbara und ich machen noch mal ein paar Tage Urlaub, und zwar im niederbayrischen Bad Griesbach. Auf meinem Lieblingsgolfplatz an der Sagmühle spiele ich zwei Mal, jeweils mit erschütternden Ergebnissen. Andererseits kann ich nicht viel erwarten, so selten, wie ich überhaupt auf die Wiese gehe. Vielleicht hat auch Sofia Popov nicht erwartet, was sie am 23. Juli geschafft hat. Da gewinnt sie als erste Deutsche mit den British Open ein Major-Golfturnier. Historisch! In Sachen Sport erwähne ich aber jetzt doch mal bewusst die Münchener Kicker, denn ihr 8:2 gegen den FC Barcelona war einfach genial anzuschauen. Wirklich großes Kino. Muss ich auch als einer gestehen, der dem FC Bayern eher Niederlagen wünscht. Das hatte was von der Demontage der Brasilianer damals 2014 in Belo Horizonte.
Und wieder stirbt, nun in Kenosha in Wisconsin, ein Schwarzer durch Polizeigewalt, diesmal durch sieben Schüsse in den Rücken. Ein böser Gedanke keimt in mir, dass es sich um das bewusste Aufflammen dieser Dinge handelt, damit der Wahlkampf weiter lodert. Es tut weh, so etwas überhaupt zu denken. Doch für Jacob Blake und gegen systematischen Rassismus steht danach ein Großteil der US-Sportwelt auf. Oder kniet sich hin. Erinnerungen werden wach an den, der das als Erster erkannt hat und doch ewig geächtet wurde, den Football-Quarterback Colin Kaepernick. Ohne es laut sagen zu dürfen, erkennen alle Sportlerinnen und Sportler seine Pionierrolle in dieser Hinsicht an. Ich sehe sie schon lange.
Nur so als kleiner Kopfschüttler-Spaß ... mit leider bitterem Beigeschmack: Bodo Ramelow, der thüringische Ministerpräsident, verkündet, dass er trotz Corona Karneval und Weihnachtsmärkte erlauben will.
September
Was bekommt in diesen Tagen eigentlich jemand, der einem anderen sieben Kugeln in den Rücken schießt? Genau! Ein Dankeschön vom Präsidenten. So geschehen gleich am Monatsanfang. Diejenigen, die da eine differenziertere Meinung zu haben, werden als inländische Terroristen beschimpft und die Familie des Getöteten bleibt außen vor. Der andere Bewerber ums Weiße Haus hingegen besucht die Witwe. So geht Wahlkampf der Marke Amerika.
Und auch ansonsten brennt es. In Kalifornien auf einer Fläche, die sechsmal so groß ist wie das Saarland, außerdem in Brasilien und sogar in der EU. Genauer gesagt auf Lesbos im ohnehin schon erschütternden Flüchtlingslager Moria. Angesichts der dortigen Zustände nicht wirklich überraschend. Ich bleibe bei meiner Frage vom Januar: Was für eine europäische Idee steckt eigentlich hinter alledem, die wir damit „verteidigen“, dass wir Menschen auf diese unwürdige Weise zusammenpferchen?
Vielleicht kommen wir ja auch noch an den Punkt, wo man das mit Geld regeln kann (Vorsicht: Ironiemodus ist aktiviert!). Machen wir es doch wie Daimler, die zwei Milliarden Strafgelder wegen falscher Abgaswerte zahlen, aber sagen, dass das keinesfalls ein Schuldeingeständnis sei. Ich hatte ein Bild vor Augen, wie ein wegen Mordes Angeklagter im Gerichtssaal sagt: „Ja, es stimmt, ich war zur Tatzeit am Tatort und an der Tatwaffe sind meine Fingerabdrücke. Ich gehe jetzt auch freiwillig 30 Jahre hinter Gitter, aber gewesen bin ich’s nicht!“ (Ironiemodus aus!)
Über so manches Gesetz lässt sich nur der Kopf schütteln, wobei ich klar sage: Nicht wegen der Inhalte, die sind vollkommen ok. Sondern weil es überhaupt erlassen werden muss. Fortan ist das Ablichten von Unfalltoten strafbar, ebenso wie das sogenannte Upskirting, das heimliche Fotografieren unter den Rock. Beide Tatbestände sind dermaßen selbstverständlich nicht rechtens, dass sich mir die Frage stellte, ob man denn gar nichts hatte, das hier nicht bislang auch schon gegriffen hätte???
In einer ersten Fernsehschlacht stehen sich Trump und Biden gegenüber. Gerne übernehme ich die Kommentierung anderen Ortes, die treffender nicht sein könnte, wenngleich sie noch milde formuliert ist: „Die Debatte ist geprägt von persönlichen Anfeindungen, wenigen Inhalten und einer unprofessionellen Diskussionskultur.“ Dazu fällt mir der landesweite Sirenen-Test in NRW ein. Dessen Resultate waren nämlich auch nur eins: zum Heulen.
Zum Freuen, zum Lachen und nach langer Zeit mal wieder auf gewohntem Feld zum Wohlfühlen ist hingegen der Abend des 26. September in Witten „auffem Hügel“. Dort spiele ich mit Leslie, Stefan Keim und Kriszti Kris das Programm „Anders, als man denkt“. Die Zuschauer sitzen weit weg und untereinander auf Abstand. Eine Pause gibt es nicht und durch das stetige Lüften (auch während der Vorstellung) ist es knackig kühl im Saal. Nur nicht für die auf der Bühne, die gleichsam durch das Scheinwerferlicht wie den Applaus des dankbaren Publikums gewärmt werden. Ein Stückchen kulturelle Freiheit in einem Jahr, in dem die Kultur eigentlich dem Untergang geweiht ist.
Oktober
Seit zwölf Jahren versuche ich es nun schon mit dem kleinen weißen Ball auf dem Rasen und wir haben sogar einen Golfplatz hier in Bergisch Gladbach, aber dort gespielt habe ich noch nie. Wie wunderbar, dass es sich nun geändert hat und mit der Golfkollegin Sandra, die in Refrath Mitglied ist, habe ich den Platz erkundet. Eine tolle Anlage, auf der ich sicher nicht zum letzten Mal gewesen bin.
Dreißig Jahre haben wir nun die deutsche Einheit. Also ... auf dem Papier. In echt braucht es wohl noch etwas, denke ich. Nach nur vierzehn Jahren schon aus der Theorie in die Praxis geschafft hat es der BER. Ist das nicht faszinierend, dass man nur diese drei Buchstaben schreiben muss, ohne zu sagen, was das eigentlich ist, und doch weiß eben jeder Bescheid? Ich beginne zu überlegen, ob die ganze Posse bislang auch nur eine der nachhaltigsten Nachhaltigkeiten beim Setzen eines Begriffes gewesen sein könnte. Irgendwie war man sehr dezent bei der Berichterstattung über die Einweihung, fand ich.
Das gilt auch für den 75. Geburtstag der nordkoreanischen Arbeiterpartei. Der wurde mit einer großen Militärparade gefeiert ... mitten in der Nacht. Ich kann nur vermuten, dass der Machthaber Kim sich durch die angesetzte Uhrzeit vielleicht eine Live-Übertragung im amerikanischen TV zur Primetime versprochen hat. Sein guter Kumpel mit den orangenen Haaren wollte da doch was dealen, oder? Bemerkenswert noch war, dass Kim sich für die Lebensverhältnisse der Menschen in seinem Land entschuldigte, dafür jedoch ausschließlich die internationalen Sanktionen, Wirbelstürme und Corona verantwortlich machte. Na ja ... deswegen ist jetzt auch der Straßenkarneval in Rio abgesagt. Aber - man erinnere sich - wir haben ja noch den in Thüringen, Ramelows Bodo sei Dank!
Doch auch mit royalem Personal ist man unzufrieden. Und zwar mit dem bayrischen König. Oh, Verzeihung, mit dem thailändischen König, der aus Bayern heraus regiert. So ist es korrekt. Vor dem sich übrigens immer noch alle zu Boden werfen müssen, sobald er in der Gegend ist. Man kann also quasi mit vollem Recht von einem Auf-Stand sprechen, wenn sich die Menge dagegen erhebt. Man hätte gerne eine wie Elisabeth, was das Ausfüllen einer Rolle als Monarch betrifft. Ich kann die Thais verstehen.
Und dann fand ich noch eine Sache mega-bemerkenswert. Vier Jahre war die NASA-Sonde Osiris Rex unterwegs, um auf dem Asteroiden 191855 (Rufname Bennu) zu landen, ein paar Steine und Staub einzusammeln und sofort den Rückweg anzutreten. 330 Millionen Kilometer Anreise für eine Verweildauer von unter einer Minute. Klingt für mich wie der Auftrag an eine deutsche Biene, von hier aus zu einem ganz bestimmten Manuka-Baum (der Südseemyrte) auf der neuseeländischen Südinsel zu fliegen und umgehend mit den Hacken voll Pollen zurückzukommen. Das ist doch einfach irre, oder? Am 23. September 2023 um 8 Uhr morgens wird Osiris Rex übrigens wieder in Utah landen. Das ist alles noch viel unglaublicher. Ich hätte gedacht, sie würde es bis 7:45 Uhr schaffen ...
November
Los, Hand aufs Herz: Wem sagt CEPA was? Na? Kennt man sofort, nicht wahr? Ach ja, das war ja dieses ganz bekannte Wirtschaftsabkommen von Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und Ecuador. Schon erstaunlich, welche Länder solche Bündnisse schließen! Irre fand ich auch, dass in Belgien bei einer Auktion 1,6 Millionen Euro für eine Brieftaube locker gemacht werden. Oder dass das Golf-Masters in Augusta mal in einem November stattfindet, statt sonst im April (mit einem überlegenen Sieger Dustin Johnson übrigens). Oder dass ich jetzt weiß, dass Ägypten einen Antikenminister hat. Der hat sich nämlich der Weltöffentlichkeit gezeigt, nachdem man bei Sakkara südlich von Kairo in zwölf Metern Tiefe über 100 Holzsärge fand. Ob man in Grönland auch einen Eisminister hat? Oder in Mauretanien einen Sandminister? Muss ich mal herausfinden ...
Den sogenannten Querdenkern aus Leipzig und anderswo, dem Attentäter von Wien ... ich möchte ihnen hier keine weitere Aufmerksamkeit schenken, sondern lieber den Blick auf Positives richten. Auch dass „Corona-Pandemie“ zum Wort des Jahres gekürt wird, ist mir nur eine Randnotiz wert, weil ich es als ausnehmend phantasielos empfinde, einfach nur das meistbenutzte zu nehmen. Aber das kann man ja verschieden sehen, zugegeben. Und mehr oder minder übergehen will ich auch das üble 0:6 der Nationalmannschaft in Spanien. War da was? Geht’s noch, Jogi?
Nein, viel wichtiger sind zwei Dinge und die datieren beide aus den Anfangstagen des Monats. Da war zunächst der Workshop von Partnerlausch. Gemeinsam mit Leslie fahre ich – noch vor dem Lockdown light – nach Silberg ins Sauerland. Wir nisten uns in einer Fewo ein und Kreativieren ein verlängertes Wochenende, schauen auch Fußball und Football. Wir folgen unseren Bauchgefühlen und Ahnungen, die uns den Weg weisen zum neuen Bühnenprogramm, wann immer das auf eine Bühne kommen kann und darf. Wir schenken es thematisch einer Kunstrichtung, dem Depressionismus, für den wir beide als ausgewiesene Fachleute gelten dürfen. Über den Titel und die Details der Inhalte muss noch Stillschweigen gewahrt werden. Es wird keinesfalls schwermütig sein, vielmehr fantasievoll und launig, viel zum Lachen in sich tragen, vielleicht auch ein paar nachdenkliche Momente. Wir sind jedenfalls glücklich mit dem Ergebnis.
Und als Meister der Überleitungen nehme ich diesen letzten Satz noch einmal her, und zwar für das zweite Positivum des Novembers. Oder, wie es CNN-Moderator Jake Tapper sagte und sich dabei eines Zitates von Henry Ford bediente: „For tens of millions of our fellow Americans: their long national nightmare is over!“ Aus meiner Abneigung gegen die Obertrompete in Washington habe ich nie einen Hehl gemacht. In den letzten Jahresrückblicken habe ich oft am Beginn gesagt, dass es das Beste sei, ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken. Diesmal bekommt er sie, weil es ein Segen ist, dass er gehen muss. Ja, es stößt sauer auf, wenn über 70 Millionen wollten, dass er bleibt. Mehr Kreuzchen, als je ein Amtsinhaber bekam. Aber da waren eben auch über 80 Millionen, die das nicht wollten. Und mit ihnen freue ich mich. Oder, wie Thomas Hitzlsperger, Manager des VfB Stuttgart es in anderem Zusammenhang sagte: „Ich könnt‘ Konfetti kotzen, so happy bin ich ...“
Oh, um ein Haar hätte ich den Zuwachs bei Barbara und mir im Haushalt vergessen: Karl-Heinz ist eingezogen. Er hängt an der Wand und meldet sich alle halbe Stunde. Dann schießt er aus seinem Löchlein hervor und verkündet die Zeit. Wir haben uns glatt tatsächlich eine Kuckucksuhr getauft. Eine sehr stylische, keine traditionelle. Und doch ... der Name des Kuckucks musste ein klassischer sein. Willkommen nochmal, Karl-Heinz!
Dezember
Wie in jedem Jahr der schwierigste Monat eines Jahresrückblicks, weil man sich zum Teil ja noch an das Frühstück von vorgestern erinnern kann und es darüber wenig zu bilanzieren gibt. Aber ein bisschen was ist da doch. Zum Beispiel der im Frankfurter Dom aufgestellte Weihwasser-Spender. Im Inneren einer verkleideten Säule befindet sich ein fünf Liter fassendes Reservoir der heiligen Flüssigkeit und ein paar Spritzer werden einem geschenkt, wenn man die Hand unter einen Sensor hält. Über etwaige Pläne für einen Tauf-Automaten wurde hingegen noch nichts bekannt ...
In diesen Tagen beginnen die Impfungen gegen Corona. Welches Land bekommt wie viele Impfdosen? Wer ist wann zur Spritze dran? Alles noch reichlich unklar, außer man ist über 80. Wer das sagen kann, der darf kurzfristig planen. Aber für die Meisten dürfte es länger ein eher theoretisches Ereignis bleiben. Beethoven wäre mit seinen 250 auch sofort dran. Ich bin mir allerdings unsicher, ob der wirklich zur höchsten Risikogruppe zählt. Kultur ist nicht gerade systemrelevant, oder?
Und hier noch ein paar Fakten aus Statistiken, was die Menschen in Deutschland 2020 so gegoogelt haben. In den Top Ten der meistgesuchten Personen wollten sich in diesem Land sehr viele über den neugewählten Präsidenten Amerikas informieren. Der bisherige ist in der Rangliste nicht zu finden. Die zukünftige Vizepräsidentin, Kamala Harris, rangiert auf Platz sechs, eingekeilt zwischen Michael Wendler und Attila Hildmann. Ich bin in großer Sorge, ob sie sich da wohlfühlt. Und mit Claudia Obert fand sich auf dem 8. Platz ein Name, der mir zu 100 Prozent unbekannt war. Auch das gibt es also.
Genial fand ich die Top Ten der Wo-Fragen. Auf Rang 1 liegt „Wo ist der Orkan jetzt?“ Geil ... ich stellte mir Antworten vor wie „Bad Hersfeld, Knottengasse 7 bei Müller“. Auch köstlich war der 4. Platz: „Wo liegt Hanau?“ Dass die Stadt mit dem Attentat traurige Präsenz erhielt, dafür kann sie nichts. Aber dass so wenige Menschen wissen, wo sie in etwa liegt? Zum Staunen. Aus dem kam ich dann bei Platz 5 aber nicht mehr heraus: „Wo wohnt Donald Duck?“ Tschuldigung, aber für statistische Fakten kann ich nichts. Sprechen Sie bitte mit den Verursachern!! Patsch!
Endgültig aus der Bahn geworfen haben mich die Warum-Fragen. Dass die Frage „Warum kauft jeder Klopapier?“ nur auf der 5 rangiert ... wie kann das sein? Entweder dürfte sie gar nicht in der Hitliste auftauchen, weil dann wenigstens zu erklären wäre, wieso so Viele das hamstern anfingen. Oder sie müsste an der Position 1 stehen. Dort aber fand sich das hier: „Warum wurden Kellogs Cornflakes erfunden?“ Also, ich hatte danach keine Fragen mehr.
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Liebe Leute,
„ein Jahr wie kein anderes“. Auf ewig wird 2020 diese Wortfolge anhaften. 2021 muss sich ins Zeug werfen, um nicht ähnlich davon vereinnahmt zu werden. Ich wünsche euch allen, dass es besser wird als das nun ablaufende. Dass ihr es bei guter Gesundheit erleben könnt und es reichlich schöne Momente bereit hält.
Meine Frau und ich werden an Silvester mit einer Tradition brechen. Normalerweise stoßen wir schon immer kurz vor Mitternacht mit einem ersten Gläschen Sekt an, um das alte Jahr zu verabschieden, und nehmen dann ein zweites, um das neue zu begrüßen. Für den Trunk vor null Uhr wechseln wir diesmal das Getränk und spülen 2020 mit einem Schnaps runter.
In diesem Sinne, Prosit Neujahr und wohl bekomm’s
Euer
Robert